Sobald Polizei oder Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige, einen Strafantrag oder auf anderem Wege vom Verdacht einer Straftat Kenntnis erhalten, sind sie durch das Gesetz verpflichtet, den Sachverhalt zu erforschen. Die Untersuchung erfolgt unter Leitung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren.
Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sind "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat". Damit ist zum einen gemeint, dass bloße subjektive Verdächtigungen oder Vermutungen ins Blaue hinein eine staatliche Untersuchung nicht rechtfertigen. Zum anderen muss eine Untersuchung dann ausscheiden, wenn das Verhalten, um das es geht, nicht strafbar wäre. Es gibt eine Reihe schädlicher oder störender Verhaltensweisen, die ungesetzlich oder unmoralisch sein mögen, gleichwohl aber nicht bei Strafe verboten sind. Beispielsweise erfüllt nicht jede zivilrechtliche Vertragsverletzung den Tatbestand des Betruges. Es ist daher möglich, dass die Staatsanwaltschaft nach Prüfung einer Anzeige entscheidet, ein Ermittlungsverfahren gar nicht erst durchzuführen.
Wenn aber zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen, ist die Staatsanwaltschaft grundsätzlich zum Einschreiten nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet (Legalitätsprinzip). Sie hat dabei jedoch nicht nur die zur Belastung der Verdächtigen, sondern auch die der Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln. Sie können also nicht erwarten, dass sich die Staatsanwaltschaft wie ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, die Sie beauftragt haben, rückhaltlos auf Ihre Seite stellt. Ihre Zeugenaussage muss schon im Ermittlungsverfahren sorgfältig überprüft und gewürdigt werden. Sie können aber erwarten, dass Sie dabei fair behandelt werden und dass auf Ihre besondere Situation als Opfer der Straftat Rücksicht genommen wird.
Quelle: Bundesminsterium für Justiz, Rechtswegweiser für Opfer einer Straftat